Dem Gemeinwohl zur Förderung
Dem Verkehr zur Erleichterung
Der Technik zur Anerkennung
Bauratsleiter Brewitt, Eisenbahndirektion Elberfeld zur Eröffnung 1897
Richtfest der Müngstener Brücke
Am 22. März 1897 war Richtfest für die Müngstener Brücke, damals noch schlicht „Riesenbrücke“ oder „Thalbrücke Müngsten“ genannt, ein genauer Name stand noch nicht fest. Das Richtfest selbst war auch damals ein feierlicher Akt. An der Seite des Solinger Bauratleiters Brewitt soll eine Gefolgschaft von 160 Personen die Brücke betreten haben, um dann beizuwohnen, wie der letzte Niet in die Brücke geschlagen wurde. Er, der letzte Niet, begründete auch die Legende um den Goldenen Niet. Die Festgesellschaft soll dann über die festlich geschmückte Brücke weitergezogen sein zu Schloss Küppelstein. Schloss Küppelstein war kein altertümliches Schloss, sondern ein damals neuzeitliches Gebäude, welches die Remscheider Brauerei Kipper als Ausflugslokal praktisch zeitgleich mit dem Beginn des Bau der Brücke in Küppelstein gebaut hatte. Zahlreiche Postkarten zeugen noch von dem Schloss, dass im Zweiten Weltkrieg den Bomben zum Opfer fiel und nach Kriegsende in den frühen 50er Jahren abgerissen wurde. Das Richtfest der Brücke fand, welch Zufall, genau zum 100. Geburtstag Kaiser Wilhelms statt. Man vermutet, dass die Brücke deshalb auch später den offiziellen Namen Kaiser-Wilhelm-Brücke erhielt. Dieser Name prangte in großen Buchstaben auf Blechschildern noch bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhundert in der Bogenspitze der Brücke, auch wenn sie damals schon offiziell Müngstener Brücke hieß.
Die ersten Testfahrten auf der Müngstener Brücke
Zügig nach den letzten Abschlussarbeiten begann man im Juli des Jahres 1897 damit erste Testfahrten zu unternehmen, die allesamt positiv verlaufen waren. Der erste Zug fuhr am 3. Juli 1897 unter großem Beifall der anwesenden Personen über die Brücke. In der Folge fanden zahlreiche Belastungsfahrten auf der Brücke statt. Das kennt man heute auch aus jüngster Vergangenheit. Da die gesamte Strecke von Remscheid nach Solingen zunächst eingleisig verlegt wurde, installierte man hierfür provisorisch ein zweites Gleis und ließ auf beiden Gleisen einen Zug aus drei Schlepptender-Lokomotiven mit angekoppelten Kies-Güterwaggons über die Brücke fahren. Es sollte einige Abweichungen der Erwartungshaltung geben, was die Konstrukteure noch Jahre beschäftigen sollte, doch der Eröffnung stand trotzdem nicht mehr im Wege.
Die offizielle Einweihung der Müngstener Brücke
Kaiser Wilhelm II schickte lediglich Prinz Friedrich Leopold von Preußen ins Bergische Land, die Brücke einzuweihen an jenem 15. Juli 1897. Man munkelte er wäre pikiert gewesen, dass man die Brücke nicht nach ihm, sondern nach seinem Großvater genannt hatte. Ein weiterer Teil, der in den Bereich Legenden gehört. Die Bergischen ließen sich ihre Feierlaune aber nicht wirklich nehmen, und so säumten Tausende den Bereich um und unter der Brücke auf Solinger wie Remscheider Seite. Selbst Häuser der Bergischen Städte wurden durch ihre Anwohner festlich geschmückt. Es war noch vor beiden Weltkriegen ohnehin eine Zeit, in der man noch freimütig patriotisch sein konnte. Prinz Leopold kam mit weiteren Ehrengästen morgens in Solingen mit dem Zug angereist. Nachdem Leopold und seine Gefolgschaft am Bahnhof empfangen wurde, ging es mit dem Zug weiter bis auf die Müngstener Brücke, wo die Gäste ausstiegen und den Zug die Brücke passieren ließen. Es wurde eine Festrede gehalten und Salutschüsse abgefeuert. Danach ging es weiter nach Remscheid, wo der Prinz ebenfalls empfangen wurde. Die erste Trinkwasser Talsperre Deutschlands, die Remscheider Talsperre, wurde begutachtet, und mit Pferdekutsche ging es wieder zurück nach Müngsten, diesmal unter die Brücke ans Ufer der Wupper. Hinauf zum Kaisersaal klang die Eröffnung der Brücke und der Besuch Prinz‘ Friedrich Leopold von Preußen im Bergischen Land aus.
Das Festkomitee gibt bekannt:
9:00 Uhr | Abfahrt vom Hauptbahnhof Remscheid |
9:25 Uhr | Ankunft Bahnhof Solingen-Süd |
9:55 Uhr | Ankunft Prinz Friedrich Leopold Bahnhof Solingen-Süd |
10:00 Uhr | Abfahrt Richtung Thalbrücke Müngsten |
10:10 Uhr | Ankunft an der Thalbrücke Müngsten, Festakt |
11:05 Uhr | Abfahrt nach Hauptbahnhof Remscheid |
11:30 Uhr | Ankunft in Hauptbahnhof Remscheid Wagenfahrt der Ehrengäste zum Festlokal Concordia Geschlossener Zug der Festteilnehmer zum Festlokal, musikalische Begleitung |
12:30 Uhr | Frühstück |
14:00 Uhr | Wagenfahrt der Ehrengäste zur Remscheider Talsperre |
14:30 Uhr | Ankunft der Ehrengäste an der Remscheider Talsperre Bergische Kaffeetafel |
15:15 Uhr | Wagenfahrt von der Talsperre zur Thalbrücke Müngsten |
16:15 Uhr | Ankunft der Ehrengäste in Müngsten |
17:15 Uhr | Ankunft der Ehrengäste im Kaisersaal Solingen |
17:30 Uhr | Festessen im Kaisersaal Solingen |
19:30 Uhr | Ende der Veranstaltung, Abfahrt der Sonderzüge |
Der Kaiser kam mit Verspätung
Erst zwei Jahre nach der Eröffnung, am 12.8.1899 kam dann aber auch Kaiser Wilhelm II ins Bergische Land, um unter anderem die Brücke zu besichtigen. Lobende Worte fand er für vieles, was das damalige Bergische Land zum größten Wirtschaftsraum des Kaiserreichs empor schießen ließ. Der Kaiser wurde von den Bergischen noch frenetischer empfangen als Prinz Leopold zur Einweihung der Brücke, alles wurde von offizieller Seite minutiös durchgeplant, nichts sollte schiefgehen. Da der Tag nicht wirklich anders verlief als schon bei Prinz Leopold, wird hier auf eine wiederholte Aufzählung der Geschehnisse verzichtet.
Deine Behauptung, dass das Richtfest nur durch Zufall zum 100. Geburtstag Kaiser Wilhelms I. stattfand, halte ich für eine abwegige Theorie. Ich mache es mir jetzt etwas einfach und erinnere da an Ockhams Rasiermesser.